Abort-Report
3.
Oktober 2024 / Rubrik Verkehr
Eigenbericht.
Vor
Jahren verbreitete ein Thüringisches Pressebüro genüßlich
die Beschwerde einer Elisabeth Hennig aus Gotha, adressiert am 21. 9.
1922 an die Eisenbahn-Direction Erfurt und betreffend "die katastrophalen
Zustände der Sanitäranlagen auf dem Bahnhof Georgenthal".
Die Dame hatte demnach den Abort für Frauen benutzen wollen,
"fand
denselben aber in einem unbeschreiblichen Zustand, der das Hineingehen
verhinderte. Auf meine Beschwerde beim diensttuenden Beamten im Stationsgebäude
wurde mir zur Antwort gegeben: 'Ja das ist hier immer so, eine Stunde,
nachdem früh gereinigt ist, sieht es genauso aus.' Der Herr schien
diese, gelinde gesagt, Schweinerei für selbstverständlich
zu halten, aber nicht, daß man dann die Scheuerfrau nach einer
Stunde noch mal hineinschickt und säubern läßt. Im Interesse
der reisenden Frauen bitte ich, doch recht bald gründlich Wandel
schaffen zu wollen."*
Da zuletzt hinter
vorgehaltener Hand ähnliches aus Großbommeln ruchbar ward,
ging unser Volontär dem Gerüchte nach und geriet an einen sichtlich
verstimmten Stationsvorsteher: "Unser Abtritt dreckig?
Welche Tratsche hat
Ihnen denn diesen Unfug erzählt? Wir verfügen derzeit über
gar keine Aborte!"
Als er sich beruhigt
hat, erklärt er: "Wir müssen für das neue Empfangsgebäude
die alte Retirade verlegen. Wand für Wand abgetragen, wird sie an
geeigneter Stelle wiedererrichtet." Tatsächlich sind auf dem
Bahnsteig diverse Wandelemente ordentlich abgelegt. "Die sanitäre
Installation wird erneuert, der Abtritt elektrisch beleuchtet und sogar
beheizt. Die Stedelebener Stellmacherin Trude Nabenfett hat versprochen,
der SKB neue Klotüren zu spendieren. Die werden benötigt, weil
wir noch einen Querflügel im selben Baustil ansetzen, damit künftig
die Scheuerfrau stets am Ort des Geschehens weilt, desgleichen unser Hausmeister."
Jetzt möge der
Herr sich aber bitte in seine Redaktionsstube verfügen und den Lesern
die Lage seriös darlegen. "Die Retirade soll noch vor dem Empfangsgebäude
fertig sein", ruft er dem Volontär nach. "Und bringen Sie
nächstens wieder die Kamera mit, um den Wiederaufbau abzulichten."
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