Bremsbelege aus Stedeleben

1. April 2014 / Eigenbericht. – Dem technisch interessierten Publikum möchten wir ein heute bei der Schriftleitung eingegangenes Agenturfoto zur Kenntnis geben, das unsere kürzliche Reportage über die Stedelebener Stellmacherei der Frau Trude Nabenfett trefflich ergänzt.

Zu sehen ist erneut der daselbst für die Möbelspedition Heinrich Leistenbruch in Kleinklöten in Aufarbeitung befindliche Möbelwagen. Seit unserem Eingangsbericht hat sich an dem 1875 gebauten Fahrzeug manches getan. So hat es neuerdings sein Dach zurückerhalten, ferner wurde eine Bremsanlage montiert. Sie besteht aus zwei Bremsbacken, welche auf die Hinterräder wirken, nebst dazugehöriger Bremsstange, die unter dem Wagenboden parallel zur Hinterachse drehbar in zwei stabilen Ösen verläuft.

Bedient wird die leichtgängige Handbremse bequem vom Bock aus, wo der Wagenführer zu seiner Rechten in Griffweite eine Kurbel vorfindet, deren fünf Meter lange Kurbelstange, gehalten von drei Lagern, diagonal über die rechte Wagenwand bis zum Bremshebel reicht. Somit dürfte die Verkehrs- und Standsicherheit des immerhin für drei Tonnen Nutzlast vorgesehenen Wagens künftig nicht in Frage stehen.

Nachtrag: Ein Klavier, ein Klavier!

Der obige Beitrag hat zu Diskussionen unserer Leser über die wiederinstallierte Bremsanlage geführt. Um die Spekulationen hinsichtlich der Größe der Bremsbacken zu beenden, baten wir Frau Nabenfett um eine Erklärung aus fachlicher Sicht. Sie antwortete wie folgt:

„Wir hatten schon öfter an alten Wagen solche wuchtigen Bremsbacken zu reparieren. Im Gegensatz zu landwirtschaftlich genutzten leichten Fuhrwerken oder gar Droschken fand diese Bauform bevorzugt an Fuhrwerken Verwendung, die für relativ hohe Nutzlasten sowie mindestens als Zwei- oder Vierspänner ausgelegt waren. Selbige sind oft durch Raddurchmesser von über einem Meter gekennzeichnet, da hier der Rollwiderstand vor allem beim Anziehen geringer ist. Dies hat jedoch andererseits den Nachteil, daß sie ausgespannt auch leicht ins eigenmächtige Rollen geraten können, was Gefahren zum Beispiel für die mit ihrer Be- und Entladung befaßten Arbeiter mit sich bringt. Überdies handelt es sich um Fahrzeuge, die konzeptionell für den Haus-zu-Haus-Verkehr inklusive Eisenbahntransport vorgesehen sind. Als solche müssen sie bis heute regelmäßig von Seitenrampen aus auf Plattformwagen und umgekehrt bugsiert werden, wo sie jeweils auch ohne zusätzliche Sicherung zuverlässig zum Stehen kommen müssen.

Aus den vorgenannten Motiven heraus wurden die Bremsen und im speziellen die Bremsklötze vom Kostrukteur in der Regel so ausgelegt, daß ihre Bremsbeläge im angelegten Zustand mindestens ein Fünftel der Lauffläche ausmachen. Unser werter Kunde Herr Leistenbruch etwa transportiert oft Eichenmöbel, schwere Bücherkisten, teure Klaviere und Geldschränke und legte – schon wegen des Firmen-Leitspruchs ‘Umzug ist Vertrauenssache‘ – hohen Wert auf die konstruktive Standsicherheit. Folglich haben wir die Bremsanlage originalgetreu nachgefertigt.“