Dänen lügen nicht

4. Mai 2012 / Eigenbericht.Das Ausbesserungswerk der Stedelebener Kreisbahn (SKB) hat die Rekonstruktion dreiachsiger Stückgutwagen für die DRG abgeschlossen.

Als Ihr Heimatblatt vor acht Wochen zuletzt das kleine SKB-Ausbesserungswerk besuchte, stieß der Photoreporter dort auf drei gedeckte Güterwagen der Bauart „Hannover“, von denen einer bereits die Grundlackierung aufwies, die beiden anderen sich jedoch noch weitgehend im Rohbau befanden – die Wagenkästen zusammengesetzt beziehungsweise ergänzt aus grünen und braunen Seitenteilen einstmals k. u. kgl. Waggons. Diesmal nun erstrahlt das Trio mit komplettierter Ausrüstung wie Aufstiegen, Geländern, Rangiertritten, Schlußsignalhaltern und Regenrinnen im endgültigen Lacke und harrt auf dem Abstellgleis der baldigen Übernahme durch die Staatsbahn. Die DRG gedenkt die rekonstruierten Dreiachser künftig als Schutzwagen zwischen der Lok und dem erstem mit Personen besetzten Wagen – dem Packwagen zumeist – in Reisezüge einzustellen.

Doch was ist das? Auf dem Nachbargleis steht noch ein dreiachsiger Waggon. „Das ist die Nummer 7“, erklärt der SKB-Wagenmeister. „Die DRG hatte ihren Auftrag kurzfristig um einen weiteren ‘Dresden‘ ergänzt. Jetzt kann man auch direkt die verschiedenen Aufteilungen der Wagenkästen vergleichen.“

Tatsächlich steht „Dresden“ am zweiten Wagenkastenfeld zu lesen. „Ja ja“, bestätigt der Wagenmeister, angesprochen auf das fehlende Bremserhaus, „solche Wagen gibt's auch ohne Bremserhaus. Es gibt Dreiachser zudem in allen möglichen Abmessungen, mit verschieden langen Wagenkästen und weiten bis sehr kurzen Achsabständen. Dieser hier, der Form nach ein alter Preuße, stellt so was wie den Durchschnitt seiner Klasse dar.“

Man habe zur Reparatur der Seitenwände allerdings auf zwei Altwagen zurückgreifen müssen, die einstmals in Diensten der Königlich Dänischen Staatsbahn gestanden hätten. Woher er denn das so genau wisse? – „Kommen Sie einen Moment ins Bureau“, winkt der freundliche Gastgeber, „dann zeige ich ihnen Bilder, die wir nach dem Zusammenbau des Wagenkastens aufgenommen haben.“

Dort angekommen, holt er aus dem Schreibtisch zwei Photographien, die tatsächlich einen weißen Wagen zeigen. „Was meinen Sie, wie die Wagendielen gestunken haben! Wie aus einer runtergekommenen Destille!“ Sodann erklärt er, in den beiden geopferten Waggons sei Bier aus der Kopenhagener Tuborg-Brauerei durch halb Europa transportiert worden. „Beim Lackieren ihrer Wagen müssen die Dänen aber auch manch kräftigen Schluck aus der Pulle genommen haben. Sehen Sie mal, die Buchstaben auf der Tür waren viel höher angebracht als die zwischen den Seitenwandrungen.“ – Aber da steht doch ganz groß „ØL“ auf der Tür, wendet der Kreisboten-Reporter ein. „Richtig“, lacht der Wagenmeister und legt die Bilder wieder in den Schubkasten zurück, „weil Bier im Dänischen Øl heißt und dänisches Bier auch genauso runtergeht.“

So recht mag der Reporter die dänische Biergeschichte noch immer nicht glauben. Darum lädt der SKB-Wagenmeister ihn ein, ruhig noch einen Blick ins Innere des nun im typischen DRG-Rotbraun glänzenden Wagens zu werfen. „Ganz weg ist der Biergeruch immer noch nicht“, schiebt er die Waggontür auf, die fast lautlos in den neu eingebauten und frisch gefetteten Schienen läuft, und hilft dem Reporter aufs Trittbrett. „Probieren Sie mal eine Prise!“ – Grinsend erblickt er die gerümpfte Nase des Zeitungsmenschen, verabschiedet sich und singt im Davongehen halblaut den Refrain eines bekannten Schlagers: „Dänen lügen nicht.“

 
  Einer von drei DRG-
Stückgutwagen "Hannover"
   
 
  DRG-Stückgutwagen
"Dresden" ohne Bremshaus
   
 
  "Dresden" im Rohbau
mit geschlossener Tür
   
 
  "Dresden" im Rohbau
mit geöffneter Tür