Fangfrisch auf die Gleise

28. Februar 2012 / Eigenbericht.Vor etlichen Wochen berichteten wir über die Ablieferung dreier durch die Stedelebener Kreisbahn rekonstruierter dreiachsiger Waggons für die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft. Wie erwartet, zog die fristgerechte Lieferung in guter Qualität weitere Aufträge nach sich. Der Kreisbote erkundigte sich in den SKB-Werkstätten der nach dem Stand der Dinge.

In der Tat gab es bereits einiges Neues dort zu sehen. Kaum angekommen, gewahrte unser Bildreporter eine kleine Rangiereinheit, bestehend aus einer preußischen T3 sowie einem drei- und einem ebenso langen zweiachsigen gedeckten Güterwagen. „Der erste Wagen soll in die Lackiererei“, so der Kommentar des zuständigen Wagenmeisters. „Das ist ein überarbeitetes Exemplar der Bauart ‘Hannover‘.“ Wieso überarbeitet? – „Wissen Sie, früher sah die preußische Betriebsordnung vor, daß vor dem ersten mit Personen besetzten Waggon eines Zuges ein sogenannter Schutzwagen hinter der Lok zu laufen hat, und dafür baute man dann solche Stückgutwagen. Gut erkennbar waren sie an den durchgehenden Laufbrettern und den horizontalen Haltestangen an den Seitenwänden. Das entsprach der Bauform der Abteilwagen, die dahinter eingestellt wurden.“ Seit die alte Betriebsordnung nicht mehr gelte, würden nun die durchgehenden Laufbretter und Haltestangen bei der Rekonstruktion entfernt. So können diese Waggons nun als normale Stückgutwagen in Güterzügen eingesetzt werden.

 

 

Darstellung der Baugruppen

   
 
  Laderaum, Chassis, Bremshaus
 

 
 

Versuchsweise Montage

 

 

„Sie haben doch vor einiger Zeit über die drei von uns rekonstruierten ‘Dresden‘ berichtet. Fällt Ihnen noch ein Unterschied zu diesen Wagen auf? Hier muß der Reporter leider passen. „Die Seitenwandaufteilung ist eine ganz andere!“, klärt der Fachmann auf. „Die Dresdener hatten bei gleicher Länge über Puffer jeweils vier gleichgroße seitliche Wagenkastenfelder rechts und links der Tür, der ‘Hannover‘ aber nur drei, von denen die äußeren deutlich länger sind. Sieht doch gleich viel eleganter aus, nicht wahr?“

Hier muß der Korrespondent dem Wagenmeister zustimmen, der stolz auf etliche erneuerte Kleinigkeiten hinweist: filigrane Tritte an der Wagenstirnseite, neue Aufstiege an den Wagenenden und unter der großen Schiebetür, diverse Geländer sowie die über die Dachkante hinausragenden Schlußscheiben-Halter. „Neue Kupplungen sind natürlich auch montiert und die Radsätze ausgetauscht worden. Fragen Sie mich bloß nicht, wie aufwendig es war, die klobigen Bremsen der äußeren Räder zu durchbrechen. Zehntelmillimeterarbeit! Aber was da ein uns völlig unbekannter Hersteller namens BTTB verzapft hatte, konnten wir nun wirklich nicht so lassen. Das wäre gegen unsere Ehre gegangen.“

Während die T3 den „Hannover“ in die Lackierwerkstatt bugsiert, wo er demnächst seine Beschriftung erhalten wird, interessieren wir uns für den anderen Wagen, der in einem nicht ganz strahlenden Weiß dasteht. „Das ist ein ‘Berlin‘, läßt sich unser Experte vernehmen. „Wir haben ihn probeweise neu aufgebaut. Die DRG hat ihn offenbar 1922 beschafft.“ Offenbar? „Ja, denn Unterlagen gab es dazu nicht. Wir haben nur auf den gußeiserenen Radlagerdeckeln noch das Jahr 1922 erkennen können. Damals herrschte ja im Reich große Not, man hungerte nach dem verlorenen Krieg und konnte schwer den Nahrungsbedarf aus dem Inland decken. Notgedrungen importiere man Fleisch aus Argentinien. Und erhöhte den Seefischanteil an der Ernährung der darbenden Bevölkerung. Für den Transport von den Häfen aus ins Inland beschaffte man dann solche Eiskühlwaggons.“

Man könne von etwa 300 ausgehen; genaue Maße für diesen hier habe man im Magdeburger Hafen von einem dort abgestellten Exemplar nehmen können. „Der ist exakt 11900 mm über Puffer lang bei einem Achsstand von immerhin 7000 mm. Das Untergestell wird durch ein Sprengwerk gestützt, das wir erst neu anfertigen mußten. Den Wagenkasten konnten wir aus ausrangierten Bierwagen der dänischen Carlsberg- und Tuborg-Brauerei zusammenfügen. Der Wagenboden ist innen übrigens als Zinkwanne ausgebildet, so daß das Schmelzwasser des Brucheises abfließen kann, das der Kühlung dient.“ Noch sei der Wagen erst rohbaufertig, erfahren wir; es fehlten noch am Untergestell die Aufstiege und Rangiertritte, erst dann könne auch er seine zweite und endgültige Lackschicht erhalten. „Er wird dann den großen Schriftzug ‘Seefische‘ quer über den Wagenkasten gemalt bekommen und im Bahnhof Rostock-Bramkow beheimatet sein.“

Wenn Ihnen also, verehrte Leser, nächsten Freitag die Dame des Hauses eine köstliche Fischsuppe, Hering in Sahnesauce oder Kabeljaufilet vorsetzt, bedenken Sie nicht nur, wie gesund Fisch ist, sondern auch, welche weite Reise er bis auf Ihren Tisch hinter sich hat – sogar mit der Deutschen Reichsbahn!

 
  Anschriften-Probe
   
 
  Anschriften-Probe
   
 
   
   
 
  Ein "Berlin" im Magdeburger Hafen
 
 
  Bremshaus des Kühlwagens