Großbommeln erwacht

18. Januar 2014 / Eigenbericht. Seit langem ruht der Verkehr auf der Stedelebener Kreisbahn (SKB). Nun erreichte uns die Nachricht, daß wieder Betrieb auf dem Bahnhof Großbommeln stattfindet.

Ungläubig rieben sich die Anwohner des Großbommelner Bahnhofs die Augen, als sie in den Morgenstunden durch lang nicht mehr vernommene, gleichwohl vertraute Geräusche geweckt wurden: Anschlagen von Weichenzungen, Stöße von Puffern und Radsatzquietschen, vor allem aber durch das Schnaufen einer Dampflok.

Man glaubte es immer noch kaum beim Blick hinüber zu der lang nicht mehr befahrenen Gleisanlage, als pünktlich um 7 Uhr eine Reichsbahn-Lok der Baureihe 64 zwei Wagen an den Bahnsteig schob. Wie ehedem war auch ein Wagen der Magdeburger Süßwarenfabrik „Portola“ eingetroffen, um Trockengelatine aus der unweit von Großbommeln situierten Gelatinekocherei Alfred Kuhfuß Nachf. ins Werk nach Magdeburg-Alte Neustadt zu befördern. Der zweite Wagen, ein dreiachsiger Uraltwagen des DRG-Gattungsbezirks Dresden, soll unter anderem Spirituosen für die Bommelner Gastwirtschaft „Zur faulen Liese“ gebracht haben.

Dem herbeigeeilten Fotoreporter des „Kreisboten“ gelangen noch zwei Aufnahmen des wieder ausfahrenden Zuges. Dabei gelangten zufällig zwei am Schuppen stehende unbekannte Waggons mit ins Bild. Eine Nachfrage beim SKB-Vorstand ergab, daß diese erst kürzlich dem eigenen Wagenpark zugeführt und zuvor endlich beschriftet worden sind. Es handelt sich um die Wagen Nr. 59, gedeckt mit Bremshaus, sowie Nr. 16, einen für maximal 12,5 Tonnen Ladung ausgelegten Hochbordwagen ohne Handbremse. Beide entsprächen mit ihrer geringen Ladekapazität dem überschaubaren Transportaufkommen auf der SKB.

Eine Stunde darauf konnte unser Korrespondent weitere Zugbewegungen festhalten. Kurz nachdem ein Lastkraftwagen drei Holzkisten mit der Aufschrift „Export“ angeliefert hatte, waren diese schon auf den Wagen Nr. 16 verladen, woraufhin dieser von einer eben aus Hintzemuckel eingetroffenen T3-Lokomotive vor den mitgeführten Rungenwagen rangiert wurde. Auch dieser war hier noch nicht gesichtet worden, er trägt die SKB-Nr. 34.

Im Laufe des Tages gab es noch etliche weitere Rangierfahrten, die recht viel Aufsehen bei den Dorfbewohnern erregten. Insbesondere stießen die Wagen Nr. 45 und Nr. 21 auf reges Interesse, bei denen es sich um dreiachsige Fahrzeuge handelt. Nr. 45, ein Niederbordwagen, ist für 15 Tonnen Last ausgelegt, während der Hochbordwagen Nr. 21 sogar 20 Tonnen befördern darf, wie die Lastgrenzzeichen im letzten Wagenfeld ausweisen. Schwer beladen zeigte sich allerdings auch der für nur 15 Tonnen zugelassene Niederbordwagen Nr. 42. Die große Maschinenkiste auf seiner Ladefläche soll dem Vernehmen nach einen Reaktor zur Kautschuk-Synthese für die ortsansässige Traditionsfirma Friedrich Lümmel enthalten haben, die bekannt ist für ihre Produkte zur Arbeits- und Ehe-Hygiene.

Schließlich geriet noch ein weiterer gedeckter Wagen vor die Linse unseres Reporters; Nr. 58 ist offenkundig der bremshauslose kleine Bruder des Wagens Nr. 59. Treue Leser des „Kreisboten“ werden sich an einen Bericht vom 19. November vorvorigen Jahres erinnern, als diese beiden Exemplare noch im Rohbau Testfahren auf der SKB absolvierten, sowie an eine Reportage vom vergangenen 6. November, wonach acht im SKB-Ausbesserungswerk unter anderem aus dänischen Altwagen aufgearbeiteten Waggons in und um Kleinklöten intensiven Betriebsversuchen unterzogen worden waren.

Der SKB-Vorstand erklärte das plötzliche Erwachen der Kreisbahn aus dem Dornröschenschlaf im übrigen mit aktuell hohem Transportbedarf sowie fehlenden Einnahmen. Diese seien aber dringend nötig, um die Investitionen für die Neuanlage der Strecke bezahlen zu können, deren Großbommelner Teil durchaus noch befahrbar sei, wenn auch langsam. Stedeleben selbst bleibe aber bis auf weiteres vom Netz getrennt.