Kleider-Ordnung

15. April 2014 / Eigenbericht. Als unser Reporter kürzlich die Stellmacherin Trude Nabenfett porträtierte, fiel ihm bereits deren burschikose Art des Umgangs mit ihren Gesellen und dem Lehrling auf. Auch wirkt sie für eine Frau recht groß, kräftig und breitschultrig. Darum ging der „Kreisbote“ der Frage nach: Wer ist Trude Nabenfett wirklich?

Die Antwort: Ja, Trude Nabenfett ist eine Frau mit Vergangenheit. Viele Gerüchte kursierten bereits in Stedeleben, die wir nun verifizieren konnten. Und zwar mit Hilfe der Stellmacherin selbst, die üblen Nachreden endlich den Boden entziehen will.

Jung und unbescholten sei sie aufgewachsen, sie stamme eigentlich aus einer Familie namens Preiser und habe einen Zwilling, der zufällig auch gerade auf Besuch sei. Eines Tages jedoch habe ein innerfamiliärer Zwist die beiden Jungen – Sie lesen richtig: Jungen! – aus dem elterlichen Hause getrieben. Ohne Obdach in Berlin hätten sie alsbald Avancen solventer Herren bemerkt und beschlossen, vermittels ihrer jugendlichen Reize in der Reichshauptstadt ein Auskommen zu finden.

Dies sei ihnen dank unbestreitbarer Talente eine Zeitlang durchaus gelungen, doch auf Dauer auch anstrengend gewesen. Als „Trudi und Paulette“ seien sie dann ins heitere Bühnenfach gewechselt. Eines Nachts saß im Parkett ein Herr Nabenfett aus Stedeleben, der sich unsterblich in Trudi verliebte. Seinen Antrag mußte Trudi zurückweisen, indem sie ihm ihr kleines Geheimnis offenbarte. „Aber ich bin ein Mann!“ habe sie zu ihm gesagt, er aber im Liebesrausch nur abgewunken: „Niemand ist perfekt!“

Mit Hilfe des berühmten Dr. Hirschfeld habe sich dann das kleine Problem zur Zufriedenheit aller Beteiligten entfernen lassen, ihr Name sei daraufhin amtlich in „Trude“ geändert worden. Viele ältere Stedelebener werden sich noch an die schöne Hochzeit auf Nabenfetts Hof erinnern.

Aber wie kam es dann zum Sohn Albert? „Er ist das ungewollte Kind eines gefallenen Mädchens vom Südende der Friedrichstraße, das dort in einer Hütte im Hinterhof aufwachsen mußte. Wir haben ihn adoptiert, damit er nicht der Schwindsucht zum Opfer fällt.“ Leider starb mein Ehemann alsbald, und seither führe ich sein Geschäft fort.

Das also ist die ganze wahre Geschichte der Trude Nabenfett. Sieht man sie mit ihrem Bruder dieser Tage durch Stedeleben gehen, so ist die Ähnlichkeit noch immer an Körperhaltung und Gestik zu erkennen – trotz ihres Dutts und des langen, etwas aus der Mode geratenen Schürzenkleides, in dem sie ihren handwerklichen Alltagsaufgaben nachzugehen pflegt.