Literarisches Quintett

11. April 2014 / Eigenbericht. Noch in der gestrigen Ausgabe war davon die Rede, daß die Stedelebener Dorfbücherei zur Monatsmitte in den Rang einer Kreisbücherei erhoben wird. Um so erstaunter war unser Lokalreporter, als er heute am Hof des letzten Herbst verstorbenen Bauern Engel vorbeikam.

Dort nämlich sah er zwar nur noch die Tür hinter dem neuen Dienstmann der Bücherei zuschlagen, hatte dadurch aber Zeit, einen Blick auf den Bücherkarren zu werfen, der auf dem Sommerweg abgestellt war.

Dieser glänzt nun in frischem Lacke, man hatte ihn offenkundig über Nacht komplettiert. Die Holme zeigten sich frisch gebeizt und mit angebrachten Handgriffen. Auch hübsche Beschläge aus Messing an den Türen wurden montiert. Vor allem aber sind die eisernen Radreifen entrostet und wieder aufgezogen, womit er nun wohl dauerhaft einsatzfähig ist.

Erwartungsgemäß sorgte das schmucke Gefährt für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft. Die landfein gemachten Schwestern Jahnel, denen im Ort üblicherweise wenig entgeht, sprachen sogleich einen aus Richtung Bahnhof vorbeikommenden Geschäftsmann an, ob der Wagen ihm gehöre. Er sei der Fuhrunternehmer Heinrich Leistenbruch aus Kleinklöten, und seiner sei so winzig nicht, verneinte der Herr freundlich.

„Mir isser jroß jenuch!“ ließ sich der Dienstmann vernehmen, der, dies hörend, kurz aus dem Hause der Witwe Engel stürmte, den Wagen kurz drehte, ein Exemplar des Romans „Junger Mann im Frühling“ aus dem Karren griff und sogleich wieder in der Diele verschwand.

„Hast du gesehen, Edda? Da läßt die Stiller-Gantenbein doch tatsächlich ihre Schwarten frei Haus liefern!“ – „Mir wäre der auch groß genug“ nickte die jüngere der ledigen Schwestern und sah leicht somnambul dem kräftigen Dienstmann nach. „Vielleicht sollte ich mir jede Woche die Gartenlaube kommen lassen.“

Das Letzte, was unser Reporter vernahm, bevor er sich entfernte, da auch weitere Passanten hinzukamen, war die barsche Erwiderung „Du läßt dir gar nichts kommen, schon gar keine fremden Männer! Soll die Witwe Engel sich vergnügen, mit wem und womit sie will, unsere Ehre bleibt sauber!“