Von Himmelfarth zu Schluck & Specht

21. September 2017 / Eigenbericht. – Kleinklöten, die größte Gemeinde im Kreis Stedeleben, machte in den letzten Jahren bekanntlich vor allem durch die Waggonbau-Anstalt von sich reden, wo man sich unter der sachkundigen Leitung des Oberingenieurs August Wellfleisch auf Rekonstruktionen und Aufarbeitungen älterer Güterwaggons spezialisiert hat. Neben dem Bahnhof Stedeleben verfügt die Stedelebener Kreisbahn (SKB) in Kleinklöten zudem über einen zweiten Übergang zur Staatsbahn, was die hiesige Wirtschaft durchaus beflügelt hat.

Es war just diesen günstigen Umständen geschuldet, daß sich mitten in der Depression ein weiteres Unternehmen niederließ, in dem heute Dutzende Arbeiter und Angestellte in Lohn und Brot stehen: die Firma "Schluck & Specht Getränke-Import & Großhandel". Zu den günstigen Umständen zählten auch die Tiefkeller des nur noch in den Lokalchroniken aufzufindenden legendären "Bürgerlichen Specialitäten-Brauhauses Lizzie Himmelfarth" auf der Südseite der Ladestraße. "Ich sagte damals dem Bürgermeister: Wenn Sie uns zweihundert Meter Regelspurgleis auf die Südseite herüberlegen lassen, richten wir hier unser Zentrallager ein und lernen dreißig Arbeitslose aus der Gegend an", erzählt der Firmengründer, der Kaufmann Dr. Leberecht Schluck.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Der Mann war von der SPD, aber gewieft. Er ging mit dem Plan zuerst zum Pfarrer und erst dann in den Gemeinderat. Mit Gottes Hilfe war der Beschluß in keinem halben Jahr durch und wir hatten das Gleis früher dort liegen als wir die Verladerampe fertiggebaut hatten." Das stimme so nicht ganz, wendet sein Compagnon, Herr Ing. Frieder Specht, ein. Daß sich unsere Betriebsaufnahme hinzog, lag eher daran, daß wir eine moderne Kühlanlage installieren wollten. Unsere erste Wahl war eine von der Möller & Schulz AG in Magdeburg-Neustadt", so der studierte Kältetechniker, "aber das dauerte seine Zeit."

"Wir führen ein ziemlich breites Sortiment lokaler, einheimischer und ausländischer Biere", so Dr. Schluck. "Beinahe täglich schiebt und die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft einen Zug mit verschiedensten Brauereiwagen an die Rampe. Für den Einzelhandel sind das einige konfektionierte Flaschenbiere, aber der Hauptteil lagert im Faßkeller. Auf dem Lande holen sich die Leute ihr Bier ja traditionell noch in der Kanne vom Dorfschulzen."

Während der Reporter des Kreisboten dies notiert, geschieht es denn auch schon: Eine Übergabe rollt heran, und fast hat man den Eindruck von großer weiter Welt beim Anblick der fünf Waggons. Hinter der kleinen Einheits-Rangierlok der Baureihe 80 läuft ein Wagen aus Bayern mit Hefeweizen aus der Kulmbacher Brauerei AG, die immerhin aufs Jahr 1846 zurückgeht – anders als der Wagen, der von moderner Bauart ist. "Pilsner Urquell muß man einfach im Angebot haben", kommentiert Dr. Schluck den zweiten Wagen, der, wie er es nennt, "die Mutter aller Pilsner" aus Böhmen bringt und wohl um die Jahrhundertwende in Prag gebaut wurde. Aus der entgegengesetzten Himmelsrichtung wird dänisches Bier geliefert. "Wußten Sie, daß jenes Tuborg Øl bereits seit 1875 gebraut wird?" Die Brauerei sei 1873 im Städtchen Fredericia im Osten Jütlands gegründet worden, erzählt Ingenieur Specht. "Bis heute braut man einmal im Jahr, nämlich im Mai, anläßlich des Firmengeburtstags das erste Bier nach, das sogenannte Rote Tuborg. Der Name leitet sich übrigens von 'Thuesborg' ab, dem Namen eines Kopenhagener Gasthofs, der sich dort befand, wo sich um 1690 diese 'Thuesburg' erhob."

Die beiden letzten Wagen kommen aus Sachsen. "Über Radeberger Exportbier müssen wir wohl nicht sprechen", sagt Dr. Schluck, "das ist kein Bier, sondern eine Hausnummer." Mit 'Grenzquell' verhalte es sich da etwas anders. "Das wird in Wernesgrün im Vogtland hergestellt. Die Brauerei ist außerhalb Sachsens eher weniger bekannt, darum bieten wir das Bier unseren Kunden als Spezialität an." Aber man zolle der Marke den gebührenden Respekt, schiebt er noch nach: "Die Firmengründung geht immerhin auf das Jahr 1436 zurück!"